
Nachhaltigkeit und Verpackungen – ein Widerspruch?
Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht mit Informationen zu Nachhaltigkeit und Ökologie konfrontiert werden. Vieles ist gut, vieles ist richtig, aber vieles ist auch nur vermeintlich ökologisch oder nachhaltig. Sind Nachhaltigkeit und Verpackungen ein Widerspruch? Wohin geht der Trend?
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Fokus Verpackung
Dass Verpackungen immer mal wieder im Fokus der Umweltsünden stehen, versteht sich von selbst. Das derzeitige Verpackungs-Bashing und die Darstellung als der grosse Umweltsünder ist jedoch ungerechtfertigt und betrachtet nicht die ganze Wertschöpfungskette. Von den gemessenen Umweltbelastungspunkten (UBP) stammen 28% von Lebensmitteln, 19% von Energie und Wohnen, 12% von unserer Mobilität und nur 1% stammen von Verpackungen. Verpackungen haben wichtige Funktionen. Sie informieren den Konsumenten über den Inhalt (Allergien etc.) und dienen vorwiegend dem Produktschutz. In der heutigen Diskussion geht auch die Errungenschaft vergessen, dass erst Verpackungen den Transport von Lebensmitteln möglich machten. Es gibt aber auch Lebensmittel, die von Natur aus schon verpackt und geschützt sind wie z. B. Bananen oder Orangen. Dann gibt es aber auch Nahrungsmittel, die schlicht und einfach nicht ohne schützende Transporthülle auskommen wie Pâtisserie und Torten, Canapés, Glace oder Menüs und vieles mehr. Zum Verpacken und Transportieren solcher Lebensmittel stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.
Karton und Papier
Seit jeher gibt es Verpackungen aus Papier und Karton. Diese sind per se schon ökologisch, weil sie aus nachwachsenden Rohstoffen produziert und rezykliert werden können. Letzteres allerdings nur, wenn sie nicht mit Lebensmittelrückständen verschmutzt sind. Sonst muss die Verpackung mit dem Hausmüll entsorgt und somit verbrannt werden. Bei Karton und Papier ist ein Trend hin zu braunen, d. h. ungebleichten Kartonsorten, festzustellen. Braune Papier- und Kartonsorten galten früher als billig und minderwertig. Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass Braun heute für hohe Qualität, Natürlichkeit, Umweltfreundlichkeit und Handfertigung steht. Braune Papiere und Kartons sind die neuen Premium-Produkte.
In einer Welt, die nahezu täglich von Berichten über Lebensmittelverschwendung, Umweltverschmutzung und Pestizide alarmiert wird, sucht der Verbraucher Produkte, die natürlich und organisch sind und auch so aussehen. Papier- und Kartonverpackungen sind immer eine gute Wahl, denn es ist ein natürlicher Stoff, der rezykliert werden kann. Die Rezyklierquote ist deutlich höher als bei Kunststoffverpackungen. Bei der Herstellung wird für Papier und Karton allerdings doppelt soviel Energie benötigt wie für Kunststoffverpackungen. Man sollte abwägen, welche Verpackung insgesamt die wenigsten schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt hat, angefangen bei den Rohmaterialien bis hin zu Müll und Zersetzung.
Verpackungen aus Rohstoffen pflanzlichen Ursprungs
Neuer, aber auch gut etabliert, ist Einweggeschirr aus Palmblättern, Zuckerrohr, Bambus oder Maisstärke. Grün und umweltfreundlich geben sich Labels, welche darauf verweisen, dass das Geschirr kompostierbar sei. «Man kann es drehen und wenden wie man will: Einweggeschirr ist ökologischer Blödsinn, selbst wenn biologisch abbaubar draufsteht und die Teller aus Palmblätter sind», sagt Marianne Stünzi, stellvertretende Geschäftsleiterin von PUSCH (Praktischer Umweltschutz Schweiz). Diese Materialien suggerieren, dass man sie auf dem Haushaltkompost der Siedlung abbauen kann. Das stimmt aber nicht. Es bedarf industrieller Kompostierwerke. Im Endeffekt bedeuten diese Materialien einfach mehr Abfall.



Ist Kunststoff nun gut oder schlecht?
Last but not least, sind da noch ganz viele Verpackungen aus Kunststoff. Die Transparenz und das geringe Gewicht machen dieses Verpackungsmaterial sehr attraktiv. Aber hier wird es auch so richtig schwierig, denn in die PET-Sammlung gehören nur PET-Getränkeflaschen. Nur diese können rezykliert werden. Auch wenn auf anderen Verpackungen der Hinweis steht, dass sie aus PET hergestellt wurden (vgl. Logo mit Pfeildreieck und Ziffer 01), gehören sie nicht in die PET-Getränkeflaschensammlung. Dies ist für den Konsumenten zum Teil verwirrend, hat aber einen guten Grund: Die Verpackungen können aus Qualitäts- und Hygienegründen für die Verwertung als Getränkeflaschen nicht gebraucht werden. Für die Sammlung und die Verwertung der PET-Getränkeflaschen gibt es strenge Vorschriften vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit. Oberstes Ziel ist es dabei, den geschlossenen Flaschenkreislauf zu garantieren, dass also aus gebrauchten Getränkeflaschen wieder neue hergestellt werden. «Kunststoff-Mischware, die in den Haushalten gesammelt und in den Recycling-Centern abgeliefert werden, landen in der Verbrennungsanlage, da sich vollautomatische Sortieranlagen oder händisches Aussortieren nicht rechnen», sagt Judith Maag von Maag Recycling Winterthur. Insofern ist rezykliertes PET ein gutes Packmittel, wenn es denn aus rPET ist.
Auch das viel gelobte PLA ist problematisch in vielerlei Hinsicht. Was ist PLA genau? PLA steht für Polylactic Acid (umgangssprachlich: Polymilchsäuren). Um diese Milchsäuren zu erhalten, benötigt es Stärke, die sich in Pflanzen wie Mais, Kartoffeln oder Rüben durch die Photosynthese entwickelt. Gärt die aus dem Gewächs gewonnene Stärke – bei PLA grösstenteils aus der Maispflanze – entstehen Milchsäuren. Diese synthetischen Polymere können durch den Prozess der Polymerisation in weiteren Schritten zu Granulaten geformt werden, die für Kunststoffprodukte nötig sind. PLA hat den Nachteil, dass es sich ab ca. 40 Grad zu verformen beginnt. Wie bei vielen anderen Dingen im Leben gilt auch bei PLA das Sprichwort: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Für die hohen Umweltauswirkungen von Biokunststoffen ist neben der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung auch die Entsorgungssituation verantwortlich. Zwar ist PLA biologisch abbaubar, kann aber nur in industriellen Kompostieranlagen zersetzt werden. Der Hauskompost kommt hier nicht infrage, da die klimatischen Bedingungen nicht gegeben sind, um PLA-Produkte zu zersetzen. Sehr problematisch wird es, wenn gar gepresstes Geschirr oder Besteck aus PLA mit der Grüngutsammlung entsorgt wird. Da viele Kompostierungsanlagen Bioabfall in weniger als acht Wochen zu Kompost verarbeiten, ist die Kompostierungsdauer für einen Zerfall bzw. Abbau der Biokunststoffe oft nicht ausreichend.
Mehrwegbehälter versus Papierbecher – Trend der Zukunft?
Ein Trend Richtung Mehrwegbehälter ist feststellbar. Hier muss man den ganzen Lebenszyklus von Mehrweggeschirr betrachten. Dieser beginnt bei der Herstellung. Aus Erdöl wird Kunststoff gemacht, woraus ein Produkt geformt wird. Bei Einwegprodukten wird dies nach dem einmaligen Benutzen weggeworfen, bei Mehrwegprodukten wird es gewaschen und erst nach mehrmaligem Gebrauch entsorgt. In der Klimabilanz schneiden Einwegbecher gegenüber Mehrwegbehältern erstaunlich gut ab, und die Erfahrung mit Mehrwegsystemen ist ernüchternd. Fakt ist, dass nicht der Einwegbecher aus Karton das Problem ist, sondern der Deckel dazu aus Kunststoff. Im Klartext heisst das: Wenn schon Einwegbecher, dann möglichst ohne Kunststoffdeckel.

Doch wie schliessen die Mehrwegsysteme ab? Es zeigt sich, dass ein Mehrwegsystem selbst bei 50 Umläufen nur marginal besser ist als die Einwegbecher. Ökologisch relevant ist hier nur der Abwasch zu Hause. Besser wird es für das Mehrwegsystem, wenn die Spülmaschinen mit Ökostrom betrieben werden. Was für Grossanlässe schon gang und gäbe ist, hat sich im Gewerbe noch nicht so richtig durchgesetzt. Nur langsam etablieren sich Organisationen, die ein nationales Netzwerk für Take-Aways haben, welche zur Abfallvermeidung abwaschbare Behälter mit Deckel anbieten. Das Problem liegt beim Konsumenten, der das Angebot zwar positiv bewertet, aber oft nicht nutzt, sei es aus Bequemlichkeit oder sei es, weil er den eigenen Mehrwegbecher ausnahmsweise gerade nicht bei sich hat.
Erfolgsfaktor Regionalität
Schweizerinnen und Schweizer verbrauchen viel – aber sie sammeln und verwerten auch überdurchschnittlich. Unser Land ist weltweit führend im Recycling. Auch wenn wir schon vieles erreicht haben, sollten wir nicht vergessen, dass wir mit unserem Lebensstil noch immer mehr Ressourcen verbrauchen als uns der Planet Erde bietet. Damit auch unsere Kinder und Enkel ihre Bedürfnisse abdecken können, müssen wir mit unseren Ressourcen nachhaltiger umgehen – eine einfache Möglichkeit dazu ist Recycling. Aber nicht Kreislaufwirtschaft allein, sondern auch der bewusste Umgang mit den Ressourcen und die Verhinderung von Food Waste sind essentiell. Ein ganz wichtiger Aspekt ist auch die Regionalität. Wir leisten erst einen echten Beitrag zur Schonung unseres Planeten, wenn wir lange Transportwege verhindern und Waren, die wir hier beschaffen können, auch regional einkaufen. Oder wenn wir kritisch hinterfragen, woher die Rohstoffe sind und unter welchen Bedingungen sie produziert wurden. Und wenn wir zu Gunsten der Umwelt auch mal preislich nicht immer den günstigsten Anbieter berücksichtigen.
Die Konsumentinnen und Konsumenten sind sensibilisiert und kritisch gegenüber Verpackungen. Hier gilt es, das Sortiment und die Wahl der verwendeten Materialien genau zu hinterfragen. Warum etwas so und nicht anders verpackt wird, muss begründet werden können. Primär geht es um den Produktschutz und den sicheren Transport des Lebensmittels. Aber nicht alle Materialien, die zum Verpacken verwendet werden, sind auch ökologisch sinnvoll und nachhaltig. Hier ist Kommunikation das A und O: eine Information auf dem Bildschirm, ein Steller auf der Theke, ein Hinweis in Sachen Nachhaltigkeit auf der Verpackung. Die Kunden sind zu Recht kritischer geworden und immer mehr werden wir an unserem Beitrag zur Schonung der Umwelt gemessen. Ökologisches Bewusstsein und Handeln ist nicht dasselbe. Wir brauchen nicht Hoffnung, sondern den Mut und den Willen etwas umzusetzen.
Lektoriert und publiziert von: Richemont Fachschule